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Exkurs: Sucharbeitslosigkeit

In diesem Exkurs betrachten wir ein einfaches Modell zur Erklärung der Sucharbeitslosigkeit. Die Klassifikation der Arbeitslosigkeit macht deutlich, dass es sich um ein Modell mit unvollkommener Information handeln muss, denn in einer Welt mit vollkommener Information muss offensichtlich niemand irgendetwas suchen. Wenn er vollkommen informiert ist, weiß er ja, wo es ist.

Sucharbeitslosigkeitsmodelle sind neoklassischer Provenienz. Sie unterstellen den Arbeitskräften das Ziel der Einkommensmaximierung und erklären die Dauer von Arbeitslosigkeitsperioden als individuelle Optimierungsentscheidung. In seiner einfachsten Form geht das Modell der Sucharbeitslosigkeit von folgenden Annahmen aus:

In Abbildung 1 ist angenommen, dass die betrachtete Arbeitskraft die Qualifikation q besitzt. Sie muss daher damit rechnen, dass Sie in drei von zehn Unternehmen, in denen sie sich vorstellt, nicht eingestellt wird, da sie die Qualifikationsanforderungen des Arbeitsplatzes nicht erfüllen kann. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass die Arbeitskraft ein Vertragsangebot ausschlägt. Wenn die Arbeitskraft sich in einem Unternehmen vorstellt, das den am unteren Ende des Lohnspektrums liegenden Lohn w1 bietet, kann sie mit hoher Wahrscheinlich davon ausgehen, dass sie in der nächsten Periode ein besseres Lohnangebot erhalten wird.

Die Arbeitskraft muss daher abwägen, was sich günstiger auf ihr Einkommen auswirkt. Soll sie weiter suchen oder das niedrige Lohnangebot akzeptieren? Diese Abwägung ist gleichbedeutend damit, dass sich die Arbeitskraft einen Lohn vorgibt, bei der sie ein Vertragsangebot akzeptiert. Dieser Lohn heißt Akzeptanzlohn.

Abbildung 1

Abb. 1

[Maussensitives Diagramm] Bei einer Matchingwahrscheinlichkeit von 20% ist eine Suchdauer von 5 Perioden zu erwarten. Eine Reduktion des Akzeptanzlohnes senkt die erwartete Suchdauer, aber auch den erwarteten Lohn.

Der Akzeptanzlohn muss unter dem Qualifikationsniveau q liegen. Andernfalls würde die Arbeitskraft ewig nach einer Beschäftigung suchen und kein Einkommen erzielen. Wir können uns nun vorstellen, dass die Arbeitskraft den Lohn in Gedanken sukzessive von q ausgehend fallen lässt. Die Reduktion des Akzeptanzlohnes hat zwei gegenläufige Effekte. Zum einen steigt die Wahrscheinlichkeit eines Vertragsabschlusses, zum anderen sinkt jedoch das erwartete Einkommen aus der Beschäftigung. Zunächst überwiegt der positive Einfluss auf das zu erwartende Einkommen, dass die Wahrscheinlichkeit des Vertragsabschlusses steigt. Mehr und mehr wird dieser Einfluss aber durch den fallenden erwarteten Lohn aufgezehrt. Wo sich die beiden Effekte gerade die Waage halten, liegt der optimale Akzeptanzlohn.

Zur Verdeutlichung dient die maussensitive Abbildung 1. In der Ausgangssituation wird ein Akzeptanzlohn von wA angenommen. Sie können erkennen, dass es in 20% der Vorstellungsgespräche zu einem erfolgreichen "Matching" zwischen Unternehmen und Arbeitskraft kommen würde, da zu 50% die Arbeitskraft nicht in den Vertrag einwilligen würde, weil der gezahlte Lohn zu gering ist, und zu 30% die Unternehmung nicht einwilligen würde, da die Qualifikation der Arbeitskraft den Anforderungen des Arbeitsplatzes nicht genügt.

Der Lohn, mit dem die Arbeitskraft bei einem erfolgreichen Matching rechnen könnte, beträgt E(w). Der erwartete Lohn liegt nicht exakt mittig zwischen wA und q, sondern teilt die weiße Fläche unter der Dichtefunktion in zwei gleich große Teilflächen. Den erwarteten Lohn würde die Arbeitskraft mit Glück bei der Suche gleich im ersten Vorstellungsgespräch erhalten. Ist sie hingegen vom Pech verfolgt, kann die Suche auch sehr lange dauern. Immerhin lässt sich aber sagen, dass ähnliche Arbeitskräfte im Schnitt fünf Perioden lang suchen werden, da die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Matchings 20 % beträgt.

Wenn Sie die Maus über Abbildung 1 stellen, können Sie die Auswirkungen eines geringeren Akzeptanzlohnes sehen. Zum einen steigt die Wahrscheinlichkeit des Matchings auf 1/3. Die erwartete Suchdauer fällt also von fünf auf drei Perioden. Dieser Effekt wirkt positiv auf das erzielbare Einkommen. Zum anderen sinkt aber der erwartete Lohn E(w). Dieser Effekt wirkt negativ.

Was beeinflusst den Akzeptanzlohn?

Die spannende Frage ist nun, welche Größen den Akzeptanzlohn beeinflussen. Dieser bestimmt schließlich, wie lange die Arbeitskräfte im Schnitt auf der Suche nach einer neuen Stelle sind, und liefert damit eine Erklärung für eine Komponente der Arbeitslosenquote: die Interner Linkdurchschnittliche abgeschlossene Dauer. Maßnahmen, die den Akzeptanzlohn senken, werden also - so die gängige Vermutung - die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und die Arbeitslosenquote senken.

Man darf dabei natürlich nicht übersehen, dass die Theorie der Sucharbeitslosigkeit keine Erklärung für Massenarbeitslosigkeit darstellt. Sie trifft eher auf Arbeitsmärkte in Zeiten der Vollbeschäftigung zu. Anfang der sechziger Jahre, als es pro Jahr zeitweise zehn mal mehr Zugänge in Arbeitslosigkeit gab als der durchschnittliche Jahresbestand hoch, als sich die Arbeitslosigkeit also 10 mal pro Jahr umgeschlagen hat, bot die Theorie, die Arbeitslosigkeit als freiwillige Optimierungsentscheidung modelliert, sicher eine akzeptable Erklärung. Heute muss man sich im Klaren sein, dass sie nur für einen Bruchteil des Arbeitslosenbestandes zutreffen wird.

Dennoch sind Schlussfolgerungen, die sich aus dem Modell ableiten lassen, so interessant wie brisant.

Eine Kürzung des Arbeitslosengeldes erhöht die Kosten, eine weitere Periode zu suchen. Dem Modell zu Folge stellen die Kürzungen daher ein probates Mittel zur Senkung der Arbeitslosenquote dar.

Anhebungen des Arbeitslosengeldes senken die Grenzkosten der Weitersuche. Die Arbeitskräfte werden daher ihre Akzeptanzlöhne erhöhen. Zwar steigt die Arbeitslosigkeitsdauer, jedoch gewinnen die Matchings an Qualität, da die Arbeitskräfte im Durchschnitt auf Arbeitsplätze alloziiert werden, die ihrer Qualifikation besser entsprechen.

Qualifikationsmaßnahmen erhöhen die Produktivität der Arbeitskräfte und verschieben q auf der Abszisse im Diagramm in Abbildung 1 nach rechts. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit eines Matchings, was sich c.p. ebenfalls in einer fallenden Arbeitslosenquote nieder schlägt. Zugleich steigen aber die Erträge der Weitersuche, so dass die Suchenden ihre Akzeptanzlohn anheben. Dieser Effekt führt c.p. zu einer höheren Suchdauer. Der Gesamteffekt von Qualifikationsmaßnahmen auf die Arbeitslosenquote ist daher nur empirisch zu ermitteln.

Das Modell kann erklären, warum gleich produktive Arbeitskräfte unterschiedlich entlohnt werden. Manche haben eben mehr Glück bei der Suche nach einem Arbeitsplatz als andere. Die eigentliche Ursache für die Lohndifferenzen, die sich nicht humankapitaltheoretisch mit Qualifikationsunterschieden erklären lassen, liefert die Annahme  unvollkommener Information.

Praktisch muss zu einer Verminderung des Akzeptanzlohnes nicht notwendig das Arbeitslosengeld der Höhe nach gesenkt werden. In dieselbe Richtung wirken Verschärfungen von Zumutbarkeits- und Sperrfristenregelungen. Auch die Ausweitung von Möglichkeiten zur befristeten Beschäftigung senkt den Akzeptanzlohn, da die Erträge einer Weitersuche um so geringer ausfallen, je kurzfristiger der Beschäftigungshorizont ist. Schließlich legt das Modell natürlich nahe, die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur für Arbeit zu intensivieren, indem man z.B. flächendeckend Personal-Service-Agenturen einrichtet oder Arbeitslosen eine Minderung des Arbeitslosengeldes androht, wenn sie sich bei Kenntnis der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht unverzüglich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden.

Abbildung 2

Abb. 2

Quelle: Externer LinkHartz-Kommission (2002, S. 35); modifiziert durch Fortschreibung der Entwicklung mit Daten der Bundesagentur für Arbeit. Die Darstellung ist nur näherungsweise maßstabsgetreu.

Diese theoretischen Schlussfolgerungen des Modells der Sucharbeitslosigkeit finden sich praktisch umgesetzt in den Vorschlägen der Hartz-Kommission wieder, dessen Namensgeber im August 2002 ankündigte, die Arbeitslosenzahl von seinerzeit 4 Millionen Personen Externer Linkinnerhalb von drei Jahren halbieren zu wollen. Nun darf man nicht außer Acht lassen, dass das Externer LinkHartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes nicht nur aus den hier erwähnten Maßnahmen besteht, aber man muss auch festhalten, dass die hier diskutierten Maßnahmen in erster Linie an der friktionellen Arbeitslosigkeit ansetzen, die nur einen Bruchteil der Arbeitslosigkeit ausmacht. Die Wirkung dieser Maßnahmen dürfte daher auch weiterhin (s. Abb. 2) eher bescheiden bleiben.

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